warum ausgerechnet kartoffeln?

…fragte mich einer, der eine Kartoffel-Allergie hat. Und ich staunte, denn ich hatte von Kartoffel-Allergien noch nichts gehört. Von Lactose-Intoleranz oder Fructose-Malabsorbtion schon, aber dass einer die Kartoffeln nicht verträgt? Ich liebe Kartoffeln und ich kann nichts dagegen tun. Bei ihm heißen sie Herdöpfel, „weil sie auf den Herd gehören“. Bei anderen Erdäpfel oder Grumbeeren (Grundbirnen), vielleicht weil sie in der Erde leben. Er würde sie am liebsten auf den Mond verbannen. Bei mir sind sie schlicht Kartoffeln oder papas. (Z.B. papas fritas, wie es sie in México in kleinen Tüten am Schulkiosk zu kaufen gab.) Und Sie? Haben Sie auch eine Meinung zu den Kartoffeln?

Weshalb ich die Kartoffeln so mag? Sicher wegen ihres Geschmacks. Vermutlich auch wegen ihrer Gestalt. Und dann natürlich wegen ihrer Geschichte. Vielleicht, weil es so viele verschiedene Sorten davon gibt und Arten. Und vielleicht auch wegen ihrer Stärke und wegen ihres Dufts. Und wegen der Geräusche, die sie machen, beim Wachsen. Vielleicht sogar, weil es Leute gibt, die stolz darauf sind, eine Kartoffel zu sein. (Das fände ich eigentlich witzig, wenn es nicht so schlimm wäre. Wenn es nicht so giftige bis hin zu tödlichen Folgen hätte. Kartoffeln, in grün-rohem Zustand, sind ja bekannt dafür, giftig zu sein.)

Ich bin nicht stolz darauf, eine Kartoffel zu sein. Aber ich fühle mich ihnen verbunden. Was mich an ihnen beeindruckt, ist zum Beispiel die Geschichte ihrer Einwanderung. Sie haben es geschafft, von Lateinamerika hier her zu kommen und hier heimisch zu werden. Wie haben sie das gemacht? Sie sind ja noch nicht einmal freiwillig gekommen, sondern wurden verschleppt, könnte man sagen. (So zumindest die Erzählung meiner Grundschullehrerin, als wir „die Kartoffel“ im Sachkundeunterricht behandelten.) Was wissen wir eigentlich darüber, wie wohl und heimisch die Kartoffeln sich hierzulande fühlen? – Immerhin gedeihen viele von ihnen gut. Und anerkannt sind sie auch, da gibt es wohl keinen Zweifel. Zumindest einzelne Sorten. Anderen Sorten, hörte ich, droht die Ausrottung. Oder der direkte Weg in den Müll, weil sie bestimmten Normen nicht entsprechen. Kartoffel ist also nicht gleich Kartoffel? Oder ist eine Kartoffel doch eine Kartoffel eine Kartoffel?

Ich bin gerne eine Kartoffel. Aber ich wäre sicher auch gern eine Kiwi, ein Maiskolben, eine Banane oder ein Reiskorn. Hat sich nur nicht so ergeben.
Die Einwanderungsgeschichte der Kartoffel macht mir Mut. Wenn Kartoffeln (und andere Pflanzen und Tiere) wandern können (genauso wie die Wolken, die Ideen und das Kapital), dann dauert es vielleicht nicht mehr lange und auch alle Menschen (die das wollen), können wandern, wohin sie wollen. Ohne Angst davor haben zu müssen, im Mittelmeer zu ertrinken.

Falls Sie noch ein bisschen weiter lesen möchten, findet sich hier ein Link zur „Ode an die Kartoffel“ von Pablo Neruda (in deutscher Übersetzung) und zur „oda a la papa“ (in Spanisch und Englisch).

Falls Sie jetzt gerne selbst etwas schreiben möchten, schlage ich folgende Übung vor:
Serielles Schreiben zu einem Nahrungsmittel Ihrer Wahl.